Suzanne Wesse
6. Januar 1914 - 18. August 1942
Kontakt zu Kriegsgefangenen knüpfen
Deutschland
Familie
Suzanne Wesse (geb. Vasseur) wird 1914 in Calais in Nordfrankreich geboren. Sie wächst mit drei Brüdern in einer bürgerlichen Familie auf. Ihre Mutter ist Hausfrau. Ihr Vater besitzt ein Textilunternehmen.
Suzanne Wesse ist eine gute Schülerin und sehr sprachbegabt. Sie besucht Schulen in England, Spanien und Deutschland.
Leben in Berlin
Anfang der 1930er Jahre arbeitet Suzanne Wesse vor allem als Übersetzerin in Berlin. Dort lernt sie ihren Mann, den Ingenieur Richard Wesse, kennen. Die beiden heiraten 1936. Die Tochter Katharina kommt 1937 zur Welt. Richard Wesse gilt nach den rassistischen „Nürnberger Gesetzen“ als „Halbjude“.
Zeitweise lebt Suzanne Wesses Bruder Armand Vasseur bei der Familie Wesse in Berlin. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 geht Armand Vasseur nach Frankreich zurück. Er schließt sich später der französischen Widerstandsbewegung France libre (Freies Frankreich) an.
Weg in den Widerstand
Nach dem deutschen Überfall auf Polen erklärt Frankreich als Bündnispartner Polens Deutschland den Krieg. Als Französin entscheidet sich Suzanne Wesse, in Berlin bei ihrer Familie und ihren Freundinnen und Freunden zu bleiben.
Zu ihren engen Freunden zählt das jüdische Ehepaar Sala und Martin Kochmann. Diese gehören einer vorwiegend jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum an, der sich auch Suzanne Wesse
anschließt. Sie ist eine der wenigen nichtjüdischen Mitglieder.
Widerstandsaktionen
Suzanne Wesse beteiligt sich an verschiedenen Aktionen der Widerstandsgruppe um Herbert Baum.
Suzanne Wesse arbeitet in dieser Zeit in einem Büro. Dort kann sie Vorlagen für die Vervielfältigung von Plakaten und Flugblättern anfertigen, die im Keller von Herbert Baums Wohnung gedruckt und später verteilt werden. Sie nutzt ihre Sprachkenntnisse, um Kontakte zu belgischen und französischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in Berlin zu knüpfen. Mit ihnen tauscht sie Informationen und illegale Schriften aus.
Am 18. Mai 1942 beteiligt sich Suzanne Wesse an einem Brandanschlag auf die nationalsozialistische Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“. Diese Ausstellung zeigt ein verfälschtes Bild des Lebens in der Sowjetunion. Mit dem Anschlag möchte die Widerstandsgruppe ein Zeichen gegen die rassistische und antikommunistische Propaganda der Nationalsozialisten setzen. Die Schäden durch den Anschlag sind gering.
Verfolgung
Die Widerstandsgruppe um Herbert Baum wird schnell von den Nationalsozialisten entdeckt. Schon am 22. Mai 1942 werden die ersten Mitglieder festgenommen. Die Nationalsozialisten gehen als „Vergeltung“ für diesen zum großen Teil von Jüdinnen und Juden verübten Anschlag gegen die jüdische Bevölkerung Berlins vor. 500 Juden werden als Geiseln in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. 250 von ihnen werden Ende Mai 1942 dort erschossen, die übrigen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Suzanne Wesse wird am 23. Mai 1942 gemeinsam mit ihrem Mann Richard festgenommen. Im Juli 1942 wird sie zum Tod verurteilt und einen Monat später in der Strafanstalt Plötzensee ermordet.
Richard Wesse wird nach drei Wochen aus dem Gefängnis entlassen. Er überlebt den Krieg.
Erinnerung
An Suzanne Wesse erinnert ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Berlin-Charlottenburg.
Über die Gruppen um Herbert Baum sind in den letzten Jahren einige Publikationen erschienen. Darin wird aber nicht an alle Mitglieder gleichberechtigt erinnert. Über Suzanne Wesse ist bis heute wenig bekannt.
Die Gruppen um Herbert Baum
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 beginnt die Diskriminierung bestimmter Teile der deutschen Bevölkerung. Der Antisemitismus ist von Anfang an ein zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie. Deutsche jüdischer Herkunft werden gezielt stigmatisiert und aus dem sozialen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Jüdinnen und Juden wehren sich auf vielfältige Weise gegen ihre Diskriminierung und Verfolgung. Um den jüdischen Kommunisten Herbert Baum und seine Frau Marianne bildet sich nach 1933 eine Widerstandsgruppe, die Verbindungen zu anderen Gruppen in Berlin hat. Die Mitglieder der Gruppen sind vielfach seit langer Zeit miteinander befreundet und oft jüdischer Herkunft. Das Ehepaar Baum ist vor 1933 in jüdischen Jugendorganisationen und in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aktiv gewesen.
Die Widerstandsgruppen versenden Briefe an Soldaten, halten Schulungskurse ab, helfen untergetauchten Freundinnen und Freunden und üben während der Zwangsarbeit Sabotage aus. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 verbreiten sie Flugblätter gegen den Krieg. Am 18. Mai 1942 verüben diese Gruppen einen Anschlag auf die antikommunistische Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies” in Berlin.