Familie
Hans Stock wird 1922 in Berlin geboren. Er hat eine jüngere Schwester. Seine Eltern haben beide eine Kunstschule besucht. Der Vater arbeitet als Kunst- und Turnlehrer an einem Gymnasium.
Den Eltern ist Bildung wichtig, sie interessieren sich besonders für Kunst und Literatur. Die Familie unternimmt viele Bildungsreisen nach Italien.
Die Eltern lehnen den Nationalsozialismus von Anfang an ab. Sie sind jedoch nicht aktiv im Widerstand.
Jugend im Nationalsozialismus
Hans Stock besucht das Gymnasium. Wie viele andere Jugendliche tritt auch er in die „Hitler-Jugend“ ein. Er fühlt sich dort schnell als Außenseiter. Er lehnt die militärische Ausbildung und den Zwang zu unbedingtem Gehorsam ab. Seine persönlichen Freiheiten sind ihm wichtiger.
Nach seinem Abitur im März 1940 muss Hans Stock für sechs Monate den Reichsarbeitsdienst ableisten.
Soldat der Wehrmacht
Im April 1941 wird Hans Stock zur Wehrmacht einberufen. Durch persönliche Kontakte seiner Eltern wird er in der Hauptfilmstelle des Reichsluftfahrtministeriums in Berlin eingesetzt. So kann er zunächst einem Einsatz an der Front entgehen.
Im Frühjahr 1943 wird er in Belgien zum Meldegänger ausgebildet. In dieser Funktion ist er für die Übermittlung militärischer Nachrichten zuständig. Während dieser Zeit erkennt Hans Stock, dass er nicht Teil dieses nationalsozialistischen Kriegs sein will.
Wann immer es möglich ist, liest er Bücher über Literatur und Kunstgeschichte und versucht so, dem Alltag zu entfliehen. Schon hier fasst Hans Stock den Entschluss, aus der Wehrmacht zu desertieren.
Kriegserlebnisse
Im Sommer 1943 wird Hans Stock nach Italien in den Kriegseinsatz versetzt. Seine Einheit ist dort an Kriegsverbrechen beteiligt. Er wird in Slowenien und Italien Zeuge, wie die Wehrmacht angebliche Partisanen ermordet und die einheimische Bevölkerung terrorisiert.
Die Brutalität und die Gleichgültigkeit der Wehrmacht gegenüber der Zivilbevölkerung schockieren ihn zutiefst. In zahlreichen Briefen an seine Familie findet er dafür deutliche Worte. Er beschreibt den Krieg als sinnlos und unmenschlich. Hans Stock weiht seine Familie in seine Fluchtpläne ein, die für ihn zunehmend konkreter werden.
Als er im September 1943 vom Tod seines engen Schulfreundes Wolfgang erfährt, bestärkt ihn das in seinem Vorhaben.
Desertion
Anfang Februar 1944 wagt Hans Stock in Italien die Flucht: Er gibt vor, Kabel von Telefonleitungen auf Kriegsschäden untersuchen zu wollen. Dabei kann er sich von seiner Truppe entfernen und in einer Hütte verstecken. Am nächsten Tag ergibt sich Hans Stock der US-Armee. Er wird ins amerikanische Kriegsgefangenenlager Camp Greeley im US-Bundesstaat Colorado gebracht.
Hans Stock empfindet die Kriegsgefangenschaft als Befreiung. Er muss sich nun nicht mehr an dem verbrecherischen Krieg Deutschlands beteiligen. Hans Stock ist in der Kriegsgefangenschaft ausreichend
versorgt mit Lebensmitteln und hat Zugang zu Büchern, die ihm sehr wichtig sind.
Nach 1945
Im März 1946 kehrt Hans Stock aus der Kriegsgefangenschaft nach Deutschland zurück. Er lebt in Berlin, wo er 1972 stirbt.
Sein Briefwechsel mit der Familie während der Zeit an der Front und Kriegsgefangenschaft erscheint 2009 als Buch. Es sind rund 400 Briefe.
In Deutschland und Österreich erinnern einige Denkmale an Deserteure im Zweiten Weltkrieg. Die meisten von ihnen wurden ab den 1980er Jahren errichtet.
Desertion von Soldaten der Deutschen Wehrmacht
Soldaten der Wehrmacht desertieren aus unterschiedlichen Motiven. Sie lehnen den Nationalsozialismus ab, empfinden den Krieg als sinnlos oder wollen nicht an Kriegsverbrechen mitwirken.
Von Desertion oder „Fahnenflucht“ spricht man, wenn sich ein Soldat unerlaubt von seiner Truppe entfernt. Dabei ist es egal, ob er im Kampfeinsatz den Anschluss an seine Truppe verliert oder dieser ganz bewusst fernbleibt.
Im Nationalsozialismus wird Desertion hart bestraft. Die harten Strafen sollen der Abschreckung dienen. Während des Zweiten Weltkriegs steht auf „Fahnenflucht” die Todesstrafe. Die Gerichte der Wehrmacht verurteilen insgesamt etwa 27.000 Menschen wegen Desertion. Bis Kriegsende werden etwa 17.000 Todesurteile vollstreckt.
Einige desertierte Soldaten ergeben sich den alliierten Truppen und kommen in Kriegsgefangenschaft oder schließen sich Partisanengruppen an. Andere halten sich versteckt und sind auf die Unterstützung von Helfenden angewiesen.
Im Nachkriegsdeutschland gelten Deserteure noch lange als „Verräter“ und „Feiglinge“. Die Urteile der Wehrmachtsjustiz werden erst im Jahr 2002 aufgehoben.
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Hans Stock
Hans Stock
Zitat: aus dem Brief 48 vom 29.9.1943, Zitiert nach: Jens Ebert/Thomas Jander: Endlich wieder Mensch sein. Feldpostbriefe und Gefangenenpost des Deserteurs Hans Stock 1943/1944, trafo Verlag 2009, S. 166.
Foto: Hans Stock als Soldat bei einer Militärübung in Belgien, 1943; Quelle: Museumsstiftung Post und Telekommunikation 3.2002.1217

Liebe Eltern!
Inzwischen ist viel Zeit seit dem letzten Brief vergangen, aber die Umstände haben mir keine Zeit gelassen. […] Bis wir von Verona wegzogen, wurde es der 22. Wir kamen ins Bandengebiet nach Görtz (Gorizia) [...]. Am 25. ging es dann in die Berge, aus denen nachts immer das Rattern der MGs und das Ballern der Geschütze kam. [...] In diesem Dorf Tarnova machten wir also Quartier. Einige Häuser brannten, die meisten Leute waren geflüchtet. Wir plünderten die Ortschaft. Wie es dann dort aussah brauche ich wohl nicht zu schildern. Es blieb keine Tür und kein Schrank heil. Die mit Stahlhelm oder Axt getöteten Hühner häuften sich zu Bergen [...] Mit Pistolen, oder Messern und Seitengewehren wurden die Schweine (es blieb keins im Ort übrig) getötet. [...] (Wovon die Leute dort im Winter leben möchte ich wissen). [...] So ziehen wir durch die Gegend durchwühlen die Wohnungen und fressen den Leuten das letzte Schwein weg, [...] während sie trockene Kartoffeln essen. Täglich müssen auf den Wiesen einige Partisanen dran glauben. [...] Es kotzt einen alles an. Wenn doch schon alles aus wäre. [...]

Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur und für die Opfer der NS-Militärjustiz in Erfurt, 2003
Quelle: Privatbesitz
Im Nachkriegsdeutschland gelten Deserteure noch lange als „Verräter“ und „Feiglinge“. Die Urteile der Wehrmachtsjustiz werden erst im Jahr 2002 aufgehoben. In Deutschland und Österreich entstehen Denkmale für Deserteure des Zweiten Weltkriegs erst ab den 1980er Jahren.
Das Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur und für die Opfer der NS-Militärjustiz in Erfurt des Künstlers Thomas Nicolai wurde am 1. September 1995 eingeweiht.